Welcome to Iran!

Gewürze am Bazar in Shiraz

Welcome to Iran!

Willkommen im Land der 1000 Farben, grenzenlosen Gastfreundschaft und unvergleichlichen Herzlichkeit

 

Wie soll ein Land, das viereinhalb Mal so groß ist wie Deutschland bzw. ein Land, in das 15 europäische Länder hineinpassen, in wenigen Worten beschrieben, die Fülle an Eindrücken in wenigen Zeilen zusammengefasst werden? Ein Ding der Unmöglichkeit und doch sind es diese Besonderheiten: grenzenlose Gastfreundschaft, warme und ehrliche Herzlichkeit und unbeschreiblicher Reichtum an Kultur, Natur und Kulinarik! Dieser Beitrag ist also ein Versuch, diesem Land und seiner Schönheit gerecht zu werden – ohne Anspruch an Vollständigkeit. Doch: so oft habe ich den Menschen im Iran das Versprechen gegeben, in meinem zu Hause in Europa über „das wahre Land“ und seine Menschen zu erzählen, ein Bild widerzuspiegeln, wo lächelnde Menschen, bunte Farben und Gastfreundschaft mich Tag für Tag aufs Neue überraschten und überwältigten.

Im Mai 2018 machte ich mich gemeinsam mit meiner Schwester Lena, die „Initiatorin“ dieser Reise, die schon lange den Wunsch hegte, dieses fremde Land zu erkunden, auf eine Schwesternreise in den Iran. Vorab meinte eine bekannte, emigrierte Iranerin zu uns:

„I guess, you both are very special ladies to pick the Iran of all the places in the world you two young women could go to!“

Das stimmte definitiv! Wir lieben das Abenteuer, das Außergewöhnliche, das Unbekannte. Und wir lieben das gemeinsame Eintauchen in andere Welten – so reisten wir von Frankfurt bzw. Wien nach Teheran, wo es ein schwesterliches Wiedersehen nach einigen Monaten gab. Auch das war besonders – mitten in der Nacht fielen wir uns in einem Hostel in dieser gigantisch großen Stadt mit knapp 16 Millionen Einwohnern in die Arme. Es gab also eine Reunion an einem Ort, der uns beiden damals noch ganz fremd war. Und dennoch hatte ich in diesem Moment Heimatgefühle!

Unsere Vorbereitung: Eine ungefähre Reiseroute hatten wir im Kopf, für die erste Nacht reservierten wir zur Sicherheit ein Zimmer in einem Hostel in Teheran und durchforsteten unsere Kleiderschränke sowie die Klamotten unserer Mutter nach einer verhüllungsadäquaten, sittenkonformen, „sack-artigen“ und trotzdem halbwegs stylishen Wohlfühl-Garderobe als Reisegepäck. Dies stellte mit Abstand die größte Herausforderung dar ;-).

Alles Weitere wollten wir auf uns zukommen lassen und hatten den Wunsch, mit Couchsurfing (unheimlich beliebt im Iran, um fremde Menschen kennenzulernen, Impressionen von der Welt zumindest geschildert zu bekommen und Englisch zu üben) Land und vor allem Leute kennenzulernen. Wir wurden bestätigt: SERENDIPITY AT ITS BEST! Mit all den Begegnungen und täglichen Highlights könnte ich wohl ein ganzes Buch füllen – was tatsächlich auch hoch oben auf meiner Bucket List steht. Hier jedoch erst einmal eine kleine Auswahl – als Inspiration für alle, die nach einer etwas unkonventionellen Reisedestination suchen; als Vorgeschmack für all jene, die in nächster Zeit eine Reise in den Iran geplant haben; als Gegenbeweis für alle, die verständnislos und beinahe entsetzt den Kopf schüttelten, als ich vorab von meinem Reisevorhaben berichtete…

Mann in den Arkaden von Esfahan

4x JA zum Iran oder wieso ich mein Herz an dieses Land verlor:

1. Wie ich überwältigt wurde von einer nie zuvor erlebten Gastfreundschaft

„Du brauchst nicht immer einen Plan. Manchmal musst du nur atmen, vertrauen, loslassen und schauen, was passiert …“

Dieser Spruch steht auf meiner Website und wir wurden auf dieser Reise wieder darin bestätigt. Noch im Flugzeug lernte meine Schwester ein herzliches junges Paar aus Esfahan kennen, der Stadt, die wir als erstes nach unserer Ankunft in Teheran bereisen wollten. Sie luden uns ein, ihre Gäste zu sein. Genau solche Begegnungen wollten wir, wenngleich wir anfangs noch etwas unsicher waren, ob wir diese Einladung annehmen könnten. Wir taten es und wurden so reich beschenkt – Mohammad holte uns mitten in der Nacht von der Busstation ab, zu Hause wartete schon eine wunderschöne, weiche Matratze mit Blumen-verzierter Bettwäsche als Bett für uns zum Ausschlafen und zum Frühstück wurden wir mit dem ersten Festmahl verwöhnt. Wie wir später erfuhren, waren wir die ersten westlichen Gäste, die er in seinem Haus willkommen hieß und er und seine Familie das als große Ehre und Freude empfanden. Drei Tage verbrachten wir mit Mohammad und seiner Frau. Im Laufe der Tage lernten wir immer mehr Mitglieder der Großfamilie kennen, immer größer und festlicher wurde der Boden (man speist traditionell im Iran am Perserteppich sitzend) für das Abendessen gedeckt und immer länger wurden die Nächte (unser Tag-Nacht-Rhythmus war total verschoben). Bei der Verabschiedung wollten sie uns gar nicht gehen lassen und sagten mit Tränen in den Augen „You are family!“, als wir in den Nachtbus stiegen und weiter nach Shiraz fuhren. Und auch wir hatten diese entzückende Familie tief ins Herz geschlossen.

Auch in Shiraz wurden wir von einer unendlich gastfreundlichen Couchsurferin gehostet, die sich trotz Vollzeitjob, 3x pro Woche abends drei Stunden Deutschkurs und zusätzlichen Konversationstreffen Zeit nahm, uns das beste vegetarische Essen zu kochen und sehr weltoffen und kontrovers die politische, religiöse und gesellschaftliche Situation ihres Landes aus ihrer persönlichen Perspektive zu beschreiben. Wie dankbar waren wir für diese Einblicke!

Eine dritte Begegnung sei stellvertretend für all die folgenden Erlebnisse erwähnt: in Yazd, der Wüstenstadt, schlenderten wir am Tag unserer Ankunft durch die Stadt und besichtigten eine wunderschön dekorierte Moschee, als Lena einem jungen, verliebten Pärchen anbot, ein Foto von ihnen zu machen, die gerade versuchten, die Momente mit Selfies festzuhalten. Wir kamen ins Gespräch und verstanden uns gut. Plötzlich wurden wir eingeladen, gemeinsam einen Ausflug in die Wüste zu machen. Die junge Frau wollte uns ihr Land und die Umgebung zeigen. Wie wundervoll – wir dachten noch an einen Wüstenausflug, wollten dafür aber keine Gruppentour buchen. Und so hatten wir unsere private Wüstentour und ein weiteres unvergessliches Erlebnis in der Rubrik Gastfreundschaft.

"We are family!" - Familienfrühstück in Esfahan

 

2. Wie es ganz normal wurde, Kopftuch zu tragen

Im Flugzeug von Wien nach Teheran kam kurz vor der Landung die Durchsage „For all our travelling women, it is an obligation in Iran to wear the hijab. Please put it on before leaving the aircraft!“ Wie befremdlich dies zu dem Zeitpunkt noch war, wie unwohl ich mich fühlte, wie sehr ich mich umschaute, ob ich das Kopftuch eh richtig anlegte. Doch bald wurde das Tragen des Kopftuchs zur Selbstverständlichkeit, sobald wir in die Öffentlichkeit traten und das Haus verließen. Überraschenderweise war dies für mich ok – aus Respekt vor den Sitten und Gesetzen des Reiselandes und in dem Wissen, dass ich in zwei Wochen wieder in Europa sein würde, wo ich frei bin und mich nicht verhüllen musste.

Ein Erlebnis ließ mich in diesem Zusammenhang spüren, wie man sich fühlt, wenn man sich nicht an die Regeln hält: eines Tages in Shiraz wollte ich kurz Luft schnappen gehen und einmal um den Block gehen, alleine, ohne Lena oder unserer Couchsurferin. So ging ich gedankenverloren das Stiegenhaus hinunter, betrat die Straße und merkte Blicke der Menschen auf der Straße, die so anders waren als sonst, so irritierend. Ich kannte mich nicht aus: War es, weil ich alleine als Frau, als Ausländern spazieren ging? War irgendetwas passiert? Erst nach einigen Minuten merkte ich, dass mein Kopftuch wie als Schal um meine Schultern hängte, ich es aber nicht sittenkonform am Kopf trug. Das Gefühl, das in diesem Moment in mir aufkam, war unbeschreiblich: ein Mix aus Scham, Peinlichkeit, Entsetzen! Ich kann noch heute nicht in Worte fassen, warum es mir so ging, wie es mir ging. Aber es war kein schönes Gefühl – ich fühlte mich einerseits mit den Blicken durchbohrt und bestraft, dabei wollte ich doch gar nicht provozieren, sondern war einfach naiv und gedankenversunken auf die Straße gegangen..

Lena und Julia mit Chador während Besuch des Shrines in Shiraz

 

3. Wie wir lernten, dass der Schein manchmal auch im strikten Iran trügt

„Schein oder Sein“ – dass es hier einen großen Unterschied gibt, durften wir im Zuge der Reise mehrmals erleben. Am ersten Tag des Ramadans wurde uns von einer jungen Iranerin ein Stück Gaz, eine persische Süßigkeit, zu essen angeboten – in einer Moschee!! Entsetzt lehnten wir anfangs ab: 1. Im Ramadan untertags zu essen ist verboten und 2. an einem öffentlichen Ort, einer Moschee, noch dazu ist das doch untersagt! „It is okay, you are tourists, you are allowed to eat!”, sagte sie und verdrückte selbst ein Nougatstück.

Anscheinend fasten übrigens nur 10 Prozent der Iraner im Ramadan. Zumindest wurde uns dies von einem jungen, gebildeten Iraner erzählt. Der nicht fastete. Ob die Zahlen stimmen, weiß ich natürlich nicht. Aus allen Wolken fiel ich trotzdem, das hatte ich so nicht erwartet. Ähnlich verhält es sich wohl mit dem 3x täglichen Gebet, das der Islam für die Schiiten vorsieht.

Als wir zum Abschluss unserer Reise drei Tage in den Bergen im Norden des Landes verbrachten und wandern gingen, meinte unser Guide zu uns, als wir das letzte Dorf, die Zivilisation, hinter uns gelassen haben: „You can take it off now – in the next three days you are free!“ In diesem Moment empfand ich das Ablegen des Kopftuchs als wahrliches Geschenk und als unendliches Freiheitsgefühl. Und wurde wieder demütig und dankbar, dass ich mich nur temporär an die Regeln halten musste.

Ein weiteres Highlight für mich war, auf dem Rad fahrend Esfahan zu entdecken. Radfahren ist für Frauen im Iran unüblich. Manchmal hört man auch, dass es sogar untersagt sei. Für mich jedoch ist mein Fahrrad der Inbegriff von Freiheit – wie dankbar war ich, dass unser iranischer Freund die Regeln nicht so ernst nahm, mit seiner Frau leidenschaftlicher Fahrradfahrer war und uns geschickt an Polizei-Häuschen vorbeilotste.

Radfahrend am Fluss in Esfahan

Ja, ich muss gestehen, schon innerhalb der zwei Wochen erlebte ich, wie man eingeengt von all den Regeln und Vorschriften beginnt, Grenzen auszureizen und seine Freiräume zu suchen, so wie es auch immer mehr Iranerinnen machen.

 

4. Was ich auf dieser Reise über mich und mein Leben lernte

Ich lernte auf dieser Reise den Wert der Freiheit von einer ganz anderen Perspektive kennen und schätzen. Eine unheimlich große Dankbarkeit für das Umfeld, in das ich geboren wurde, erfüllte mich während und nach der Reise immer wieder – frei zu sein, jederzeit in (fast) jedes Land reisen zu können, im eigenen Land nicht so sehr beschnitten und eingeschränkt zu sein, eine gute Schulbildung zu bekommen und und und. Ja, manchmal muss man in die Ferne reisen, um wieder demütig zu sein, für das, was oft alltäglich ist und normal zu sein scheint.

Außerdem wurde ich im Iran aufs Neue von meinem Serendipity-Prinzip als Reise- und Lebensmotto begleitet und fühlte mich bestätigt, dass es sich lohnt, zu vertrauen und die Dinge manches Mal geschehen zu lassen. Wenn du nichts erwartest, überrascht dich das Leben und gibt dir 1000-fach zurück. Und das im Iran über eine Distanz von mehreren tausend Kilometer Entfernung, die wir zurückgelegt hatten.

 

Ich habe mein Versprechen gehalten, ich erzähle meine Geschichten und behalte all die Erfahrungen und Begegnungen im Herzen. Für immer! „Welcome to Iran“ – diese Worte, ausgesprochen von unzähligen so unterschiedlichen IranerInnen, denen wir begegneten, die eines vereint: das Lächeln im Gesicht und die Sprache der Liebe des Herzens!

 

Welcome to Iran - in den Gärten von Shiraz

 

Eingangstor zum Shrine in Shiraz

 

Pink Moschee im Morgenlicht in Shiraz

 

Iranisches Frühstück in Yazd

 

Wanddekoration im Ali Qapu Palast

 

Bergbauern beim Melken der Ziegen und Schafe Alamut Valley

 

Iranisches Tor mit Inschrift in Yazd

 

Schmetterling auf Blume - Frühlingserblühen in Alamut Valley

 

Geschmückter, bemalter Plafont in Esfahan

 



2 Kommentare
  • Lisa sagt:

    Meine Liebe, auch wenn ich die Urlaubsgeschichten schon von euch beiden gehört habe, es war noch einmal ein sehr schönes Gefühl sie als kleine „Geschichte“ nachzuempfinden. Ich finde es unglaublich mutig, dass ihr euch so offen auf diese unbekannten, manchmal ängstigenden Ländern einlasst. Und wie man am Iran und den Einwohnern sieht, wird dieser Mut ganz oft belohnt – mit einzigartigen Erlebnissen, herzlichen Begegnungen und leckerem Essen. Ich bin gespannt, welche Ziele noch von eurer Bucket List angekreuzt werden und freue mich auf jeden weiteren Reisebericht 🙂

    • Julia Andorfer sagt:

      Danke dir, meine liebe Lisa, für deine so besonderen Zeilen. Es ist für mich so schön zu spüren, dass ich mit meinen Geschichten Inspiration sein kann und Mut machen darf, das Fremde, die Ferne zu entdecken. Schön, dass du mich und den Weg begleitest. Ich freue mich, wenn wir ein Stückchen bald wieder gemeinsam gehen können…

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